Das Gefühl nicht wahrgenommen und gesehen zu werden!

29.06.2022

Hallo, ich bin Micha, 52 Jahre alt. Ich möchte Euch von meiner Zeit als Betroffener und von meinem heutigen Leben erzählen.

Der Beginn meiner Anorexia liegt 14 Jahre zurück. Heute möchte ich euch nicht aus dieser Zeit berichten, sondern von den Erfahrungen die ich heute erlebe.

Anorexia ist bei Männern geringer ausgeprägt und bei mir auch anders als dem was man unter Schönheitsideal kennt. Als ich vor 10 Jahre die Wohngruppe bei ANAD verlassen habe, konnte ich mein Gewicht gut halten. Wie immer mit Höhen und Tiefen, doch das Mittel stimmte. Egal was ich auch versuchte, ich muss mich von dem Gedanken trennen einen Körper wie andere Männer zu haben.

Männer müssen stark und gut gebaut sein. Dieses bin ich nicht und so habe ich den Eindruck nicht gesehen und wahrgenommen zu werden. Ich mag in einem Raum eintreten, und diesen ausfüllen durch meine Anwesenheit, allein durch meine Körperstatur.

Ich musste erfahren, dass ich mich mehr bemühen und kämpfen musste als andere. Dieses führt bei mir zu dem Vergleichen mit anderen Männern. Das Gefühl so dünn zu sein, nicht gesehen zu werden von anderen Menschen lässt mich versuchen in die alten Muster zu verfallen. Doch eines habe ich gelernt. Ich werde nicht „mehr“ und „besser“ gesehen, wenn ich mich „verdünnisiere“.

Sprüche beim Reiten „Ich habe so schöne lange Beine und so eine ideale Reiterstatur“ ist kein Kompliment, weil meine Realität anders aussieht. Mein Selbstbild ist ein anderes. Um einen Partner zu finden und ein gutes Selbstbewusst zu haben, vergleiche ich mich mit anderen Männern und das ist nicht gut für mich.

Dabei bekomme ich gar nicht mit, wie andere positiv über mich reden und wie einzigartig ich auf andere wirke. Aussehen scheint doch nicht alles zu sein. Es zu verinnerlichen, wenn ich mich persönlich nur auf mein Erscheinen und Gewicht fokussiere, macht es mir schwer mich für andere zu öffnen, die mich als den wahren Menschen kennenlernen wollen. So stecke ich in einem Teufelskreis. Nie AUFGEBEN und HOFFEN sind Stärken, die ich durch meine Essstörung gelernt habe.

Viele liebe Grüße euer Micha

ANAD Bewohner*in
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